Archive für Kategorie: Texte eigen

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Beitrag mit Fotos folgt…

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ein hack to the pieces Studiobühne 16-page0001

Der Rezensent besucht ein Theater, aber diesmal ist zwar nicht alles anders – etwas das die Theaterleute gerne schreiben und beschreiben – aber Einiges ist anders. Seine sicheren und eingefahrenen Gleise der Vorbereitung haben ihm die Partizipierenden des Abends verweigert.Es gibt kein Stück, es gibt kein Programmheft, es gibt eine geringe aber nicht geringwertige Erwartungshaltung, weil der Text auf der Internetseite der Studiobühne zwar neugierig macht, denn er reißt das ungeheure Material und Seelenspektrum der Gruppenarbeit an, aber er sagt in den Augen meiner Freundin wohl auch nicht genug, dass sie sich entschließen könnte, mich zu begleiten.

Projekt-Profil_Hack_to_the_pieces. 
Liebe Mitprogrammierer_Innen, es wurde eine Aufgabe an das Projekt gestellt. 
Anforderung_: Text der Neugierde weckt und entsprechende Informationen über die Produktion enthält. \\ 
Anmerkung_: Die Produktion ist in Produktion => Status_: werdende Mutter; Aussagen über ein ungeborenes Kind? \\
Ein Partizipierender schreibt: 
„Überall Wege, Plätze, Bahnen und Netzwerke denen ich folge. 
Überall Pläne: Fahrpläne, Finanzpläne, Lebenspläne.
Überall Träume, Wünsche, Begehren, Sehnsüchte, Zweifel.
Auf der Suche nach Sicherheit in der Zukunft tappe ich in kollektive Fallen. \\ Jeder von uns ist Kollektiv \\
Auf der Suche nach mir selbst verlier ich mich in Angeboten die für alle sind. 
Ich habe schon einige getroffen, viele noch nicht… \\
Es wäre gut, wenn wir uns kennen lernen…“ \\
So, oder anders: Kontakt: alexander.a.ernst@googlemail.com \\
=> Transparenz. \\
Ein Versuch: \\
Inhalt_: Mensch/Technik. Spez.: Web .\\
Form_: Performance. \\
Theorie_: Differenz, Zwischen. \\
Organisationsstruktur_:  dezentralisiert, partizipativ => Kontakt. \\
“Es wird eine Performance entstehen […],“ die die Prozesse von Dekonstruktion/Demontage, sowie Entwicklung/Errichtung immer neu durchläuft. \\
Stück geht ab. Lange Pause.

Ich erinnere mich an meine erste Theaterproduktion in Köln, übrigens handwerklich sehr unvollkommen, in der Presse zerfetzt, von Freunden unterstützt, aber in der Produktionsphase zerbrechen ganz viele Träume, eine große Liebe und mein Traum vom Kollektiv.
Es gibt einen Namen auf der Internetseite der Studiobühne. Alexander Ernst. Im gedruckten Premierenplan hat man die Produktion vergessen. Im Spielzeitjahresheft ist sie enthalten.
e.i.n.-hack to the pieces. heißt der Abend. Ausgangspunkt ist das sogenannte Hackermanifest. Ich google und finde nichts Wesentlich zu Alexander Ernst. Erst dann erinnere ich mich:
Beachtlich an diesem äußerst ungewöhnlichen Abend, der in meinen Augen eindringlich zeigt, dass es  die Utopie Kollektiv im Theater solange geben kann wie ein Kollektiv junger  Leute den ,alten Säcken‘ vormacht, dass es etwas Besonderes ist, wenn junge Leute sich auf eine Suche begeben und versuchen mit Hilfe des Equipments und des Personals der Studiobühne, die seit nahezu vierzig Jahren bemüht sind in Köln mehr als nur noch ein Kleinabbild des Stadttheaters zu sein, ein PROJEKT zur Uraufführung zu bringen. Letztendlich gehen nur Wenige heute im Theater riskante Wege. Die Menschen, die den Gewinner des letztjährige Regie- und Stück-Wettbewerb, Alexander Ernst, begleiten der das Bindeglied des Kollektivs mit

jasmin jerat, eric eggert, henrike dusella,
sergiu zorga, marie carlotta, judith de santis,
christian brosig, dimitry zakharov, ist

habe seine gewonnene Ausnahmeposition in der Gruppe als Kollektiv übernommen und sich im Sinne des Hackermanifests als Akteure und Aktivisten  des Abends zu einem Kollektiv verbunden,  sich selbst auch alle als Teil dieses Kollektivs verstanden.

Ich erinnere mich an meinen Traum vom kollektiven Theater und meine Auffassung von Theater, die beide in meiner ersten Produktion scheiterten bzw. zerbrachen. Eine Frau, die mich, wie ich heute denke, zutiefst verletzen wollte, nutzte meine theatrale Unerfahrenheit (Theater sehen heißt nicht Theater machen), vor allem auch meine Führungsunerfahrenheit aus, zerstörte zunächst das Kollektiv und setzte dann in der Gruppe per angeblicher Demokratie durch, dass meine Arbeit als Regisseur nicht im Programmheft vermerkt wurde, obwohl ich Motor und auch Initiator und auch künstlerisch das ganze in meinem Sinne zu formen versucht hatte. Reden wir mal gar nicht vom Geld. Nun gut, das war der Gegenentwurf. Das ist mir bei den fünf weiteren Regiearbeiten nicht mehr passiert, aber da bin ich auch kein Risiko mehr gegangen. Es war wie ich später in unzähligen Erzählungen vernahm, etwas, was auch alten Theaterhasen geschehen konnten, wenn sie ihr Personal nicht mit auf ihren Weg nehmen konnten. So manches PROJEKT ist schon ambitioniert gescheitert, weil junge Theaterleute so wie ich mehr versuchen und wollen als ihnen dann gelingt. Das ist dieser Gruppe nicht passiert.

Glaubwürdig ist mir angesichts des Abends, dass da eine Reihe von sehr verschiedenen Menschen sich zu einem Kollektiv verbunden haben, eine ungeheure Arbeit geleistet wie es nur Idealisten selbst im Theater vermögen, dabei aber nicht zu einer Publikumsfoltermaschine degenerieren,  der Prozess der Produktion glaubwürdig noch nicht abgeschlossen ist, das Gelingen des Abends von jedem Zuschauer abhängig ist, dass es an diesem Abend dessen genaue Länge und dessen minutiöser Ablauf trotzdem nicht gesichert erscheint sich alle im Idealfall erfahren und vielleicht sogar entwickeln.

Gehen Sie in die Studiobühne, besuchen sie eine der Vorstellungen vom 17.bis 19.10 oder vom 17. bis 21.12. jeweils um 20 Uhr. Sie werden je nach eigener Befindlichkeit erleben und erfahren, was sie so sicher nicht an jedem Theaterabend erfahren.

Nur der Rezensent fragt sich, ob er wirklich vollkommen offen für das gewesen ist, dessen Teil er war. Er fühlt sich stärker, als er seinen Stift und sein Notizbuch fortgelegt hat, nicht dem ersten Impuls des Abschlusses folgt,  und in seiner Rolle und trotzdem nicht in seiner selbstgewählten Rolle sich stärker einbringt als er es eigentlich beabsichtigt hatte.
Ihm spuken ein paar Assoziationen durch den Kopf, er findet Bilder in seinem Kopf, er lässt sich von Ungewöhnlichkeiten mitnehmen.
Danach ist er zwar mit sich zufriedener aber um so ratloses wie er das Gesehene und Erlebte trotz der vielleicht berechtigten Kritik eines Jurymitglieds in Worte fassen soll, denn sein Erleben kann ja nicht das Erleben eines anderen gewesen sein.

Das deutlich gemacht und bewirkt zu haben ist ein Verdienst dieses Kollektivs, dem zu wünschen ist, dass es seine Arbeit nicht nur bis Dezember fortsetzt und die unglaubliche Fähigkeit sich in diesen Zeiten auf einen solchen Gruppenprozess einzulassen und so zuhören zu können, so offen für Kritik und nicht dem Fehler verfangen zu sein, sich so auf Prozess und Innen zu konzentrieren, dass das Geschehen des Abends für den zahlenden Gast hermetisch abgeriegelt bleibt.

Skeptiker gabs sicher auch in der Studiobühne, aber die theatrale Neugier wohl auch unter anderem ihres Leiters haben wohl letztendlich gesiegt.  Vor Beginn des Abends wünschte er den Akteuren gutes Gelingen. es sah so aus, als wolle er das Haus verlassen, nachher war er wieder da und war angeregt ins Gespräch mit dem Jurymitglied vertieft. Böse Geister würden von einem theatertypischen Klatschgespräch sprechen, aber ich mag solche Unterstellungen nicht. Sie diskutierten sicher über Sinn und Unsinn des Abends im wahrsten Sinne des Wortes……

Studiobühne alles wird anders Manuel Moser und Ensemble 12.10

Heute abend das Kippenberger-Stück und morgen die Inszenierung des Romans DER STREIK von Ayn Rand, das Schauspiel Köln macht Dampf oder nimmt weiter Fahrt auf.
Ich war am heutigen Abend in einem Eifeler Theater, dem Stadttheater in Trier, ein äußerst unterhaltsamer Theaterabend statt Fußball, noch einmal Michael Frayn, DER NACKTE WAHNSINN, mit dem das in seiner Existenz bedrohte Stadttheater, gerettet mit Landesgeld, RP sei Dank, ebenfalls am 28.09 die Spielzeiteröffnung voran trieb (wie auch Schauspiel Köln).
Gutes Theaterhandwerk, in einem Theater, das ich bislang nicht auf der Landkarte hatte, obwohl es auch nicht weiter von meinem Lebensort entfernt liegt als Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf, ein tolles Publikum, das von der ersten bis zur letzten Minute mitging, den Tiefsinn des scheinbar vordergründigen Stücks um Sardinen und Türen verstand, die Schauspieler sichtlich antrieb, die wirklich voller Spiellaune agierten, obwohl nach der Pause auch hier das Phänomen zu beobachten war, das Zuschauer fehlten. Ich vermute, dass ob Slapstick und Überdrehtheiten, die gekonnt dargeboten waren, es denen, die gegangen waren, um das Stück ging.Es ist ja kein Geheimnis, dass Komik die Königsdisziplin des Theaterhandwerks ist und manchmal das Publikum durhaus hinderlich sein kann, wie man zuletzt in Köln sah.

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Es ist wohl dieses bestimmte Bildungsbürgertum, das Frayn zu albern und manche Klassikerinszenierung nicht ‚werkgetreu‘ genug findet und für die es zum guten Ton und zum Spiel gehört, sich übers Theater zu ärgern oder die mangelnde Illusion zu beklagen, obwohl ja Brechts Wende in der Darstellung schon ein alter Hut ist und positive Ensembleleistungen gegenüber ‚Startheater‘ genau so ein alter Hut sind wie die Forderung nach der Bedienung des eigenen Geschmacks, schließlich subventioniere man ja die Sandkastenkiste der Theaterleute mit teuren Steuergeldern.

Ich finde Frayns Stück jedenfalls schon grundsätzlich äußerst unterhaltsam, obwohl ich mich nicht wundern würde, wenns in Trier den Kritikern auch zu albern war. Schließlich gehts ja eigentlich nur um Sardinen und Türen. In Trier gings aber nicht nur laut Programmheft jeden Moment ums Spielen.

Akt eins zeigte die immer wieder von einem sichtlich gelangweilten Regisseur in Potenz- und Liebesnöten unterbrochene Generalprobe des ersten Aktes des gezeigten Stücks einer Provinztheatertruppe, Akt II eine Vorstellung in der noch niederen Provinz nach einigen Wochen aus Backstageperspektive, während sich das Ensemble nebst Regisseur beinahe gegenseitig umbringt – Gruppenprozesse halt wie im wahren Theaterleben – und den Abschluss nach der späten Pause, die halt leider etwas den Drive nimmt, die letzte Vorstellung, in der fast nichts mehr heil ist und nichts mehr gelingt. Es wäre vielleicht den Mut wert mal zweieinviertel Stunde am Stück zu spielen. Aber da macht die sehr versierte und freundliche Gastronomie eventuell nicht mit.

Ich fands äußerst gelungen, nichts aufgesetzt, mit stark persönlicher Handschrift der Regisseurin, Caroline Stolz, einem starken Ensemble, aus dem ich negativ keinen herausheben möchte, einem äußerst gelungenen Bühnenbild, das die stark festgelegten Vorgaben Frayns im Detail phantastisch löst, besticht, indem man nicht ironisch überzeichnet wie in Köln, sondern konsequent auch Requisite und Kostüm in die 50er verlegt.

Sowohl Bühnenbild als auch Kostüme gehen komplett im III Akt aus dem Leim. Wie gesagt alles in wunderbaren kleinen Details, die es zu entdecken gilt, während auch der Bühnenablauf der Farce im III Akt ebenfalls aus der Form geht, auch das eigentlich noch ausgezeichnete Klipp-Klapp der Türen im ersten Akt.

Die Beziehungen der Darsteller der Provinztheatertruppe in der sogenannten Theaterprovinz Trier werden fein herausgearbeitet, gelacht wird sowieso, es verschmieren kaum Gags, was ja nicht oft geschieht. Zum Höhepunkt gehört sicher der zweite Akt, der ein solches Tempo aufzieht, das man fast nicht mehr folgen kann. Natürlich phantastisch der offene Umbau mittels Drehbühne und Regieassistentin-Darsteller und Inspizientendarsteller. Wunderbar der jeweilige Aktschluss, indem das Ensemble zur Vom-Winde-verweht-Musik munter vor sich hinschmiert und in Schülertheaterpose erstarrt.

Das vermag sicher die halbnackte Vicki bzw. deren ebenfalls attraktive Darstellerin in Großmutter Hollywoods BH und liebestötendem Miederhöschen am stärksten, wobei sie das Chargieren zwar nicht übertreibt, aber neben der slapstickorientierten Inszenierung an ein paar Stellen zu überdreht erscheint.

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Aber das ist Geschmacksunterschied, sie wirkt zu gut und man merkt halt, dass da eine gute Schauspielerin bewusst schlecht markiert, in Köln war das Kunststück gelungen, dass der Regisseur Sanchez ein komplett gutes Ensemble sehr ironisch, die Farce verweigernd, zum ‚Schlechtspielen‘ verführt hatte, aber mit der Erwartungshaltung des dort sicher auch verwöhnten Publikums zu kämpfen hatte, die ihm nicht folgen, sondern sich unterhalten wollten, was zur Zuschauerlichtung führte.

Theater muss wie Fussball sein, hat der große ZEIT-Kritiker Henrichs einst geschrieben: Heute abend in Trier war Theater fast besser als Fussball, machte neugierig auf anderes im ‚Eifeltheater‘ Trier. Man hat so sicher so keine Zukunftsangst in und ums Theater Trier. Was dort in der letzten Spielzeit geschehen ist, das hat das Publikum am heutigen Abend vielleicht so für ihr Theater motiviert: Jubel am Schluss, langanhaltender und zum Schluss sogar rhythmischer Beifall zu einer unterhaltsamen und sehr geschickten mittels peppiger Musik und von sehr erfreut freundlichen Theaterkollegen ‚geschickt erfundenen und unterstützten‘ Applausordnung und wirklich ganz viele sehr zufriedene Gesichter beim Hinausgehen.

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Am Tag da Human watch von einem weiteren Massaker diesmal der Opposition im syrischen Bürgerkrieg berichtet, die  OPCW den Friedensnobelpreis erhält und nicht die pakistanische Bildung-fordernde-Jugendliche, deutsche BIldungsmisere beklagt wird und der Dax und der DOW JONES zynisch zu den Haushaltsstreitigkeiten und der Stimmung in den USA auf Höchststände kletterte, mag man angesichts eines weiteren kenternden Bootes vor Lampedusa und weitere Toter denken: Wahrlich wir leben in finsteren Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume oder Theater, schon fast ein Verbrechen ist, aber wenn wir  schon angesichts von Zuständen und Krisen resignieren und das Leben als Krankheit zum Tode angesichts eines leeren Himmels und eines menschlichen Papstes beklagen, wer soll dann noch mit den good Vibrationsns eines solchen Theaterabends und dem lauten Gelächter für die Welt sorgen. Ein genauerer Vergleich der beiden Inszenierungen mit der in Hamburg am Thalia Theater, an der sicher der renomierteste Regisseur, Luc Perceval, gearbeitet hat, soll folgen.

weitere Vorstellungen im Oktober am 18./23./25.10
und weiter am 10./16./22./28.11
und am 28.12; 12.1.2014/22.1/31.1
jeweils um 20.00 Uhr

übrigens das mit den Sardinen hatte das Theater Trier spieltechnisch besser gelöst als Köln, wo sie am Teller festgeklebt waren, aber die durch den Bühnenraum fliegenden Sardinen in der Marxgeburtsstadt, die an Marxbüsten und Fingern baumelnden Sardinen waren wirklich unterhaltsamer und um bei Brecht zu bleiben:

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen

der Vorhang zu und alle Fragen offen ODER

wie bei Goethe

so schlagt ihn tot den Hund, er ist ein Rezensent…………………..

Fotos von Marco Piecuch

 

PS So rosig wie es dem Rezensenten erschien, ist die Situation in Trier keineswegs. Die Finanzierung ist nur kurzfristig gesichert. Der Intendantenvertrag von Gerhard Weber läuft 2015 aus. Im Moment könnte man denken, dass da irgendwer auf Zeit spielt und darauf hofft, dass die Wellen nicht so hochschlagen, wenn man das Theater Trier dann ‚einschränken‘ oder sogar schliessen würde. Eine Intendantenstelle müsste baldigst ausgeschrieben werden, denn ein vernünftig geführter Dreispartenbetrieb benötigt eigentlich eine ‚Vorlaufzeit‘ von über einem Jahr……Demnächst mehr zum Thema.

KURZVERSION PEER GYNT Theater am Sachsenring 28.09.2013

Gesundheitswesengedichturschrift

Gesundheitswesen

abgestorben
von Ektoplasma und Blut verschleiert
der neugenborenen esoterischen Katharsis
tanzen die Zombis
des verratenen
hypokratischen Eides
dem Lobbytanz
zivilisierter Korruption
des Menschen
die Würde des Menschen
jetzt frei
verfüg- und betastbar

Stehe ich am Ufer des Flusses. Wenn ja, dann muß ich auch ein Feuer schüren und nicht warten,bis mir jemand die Streichhölzer wegnimmt. Wir haben zu lange gewartet. Warten ist tödlich, auch wenn man dabei noch lebt.

Max von der Grün

Papa auf den Straßen ist Krieg

Montagmorgen in der westdeutschen Großstadt. Die Menschen hasteten achtlos an dem großen
tristen SPIELPLATZ vorbei. Asche, Staub und Steine. Alibi auf Kosten der Kinder. Keinem fiel auf, daß
 die Farbe noch frisch war. Alle sahen das schon wieder verschmierte Hakenkreuz.

Schon wieder?
War das gestern abend auch schon da?
Warum tut nur keiner was?
Schweine!
Immer schmieren sie alles voll.

Aber keiner kümmerte sich wirklich um den neuen WANDSCHMUCK. Erst Mittags wurde die Leiche
gefunden. Es war heiß. Zwei Kinder hatten den JUNGEN MANN aus dem Gebüsch gezerrt.

Ernst Müller. 18 Jahre. Klasse 12 des Albertus-Magnus-Gymnasiums. Vater: Sozialdemokrat (63).

Ernst war ein Nachkömmling. Die Mutter hatte er mit 13 Jahren verloren. Der Vater war beruflich und
gesellschaftlich stark beansprucht. Der Junge war immer schmächtig und schüchtern gewesen. Er
hatte Kontakt gesucht – Fußballplatz. Stadion. Fanclub. Saufen. Schlägerei. – Und schließlich hatte er
Anschluß gefunden, bei den SKINHEADS.

Die deutsche Opposition sind wir!
Die jungen Kämpfer der deutschnationalen Front.

Aber da kannte er schon Dr. Schmitz.

Wer dazugehörte, besaß Doc-Martens-Schuhe. Schnürstiefel mit Stahlkappen. Er gehörte seit 1995
 dazu. Damals wurde er gerade 16. Jahre alt. Durch Umzug und Schulwechsel war manches
durcheinandergeraten. In den Doc-Martens-Schuhe konnte man sich stark fühlen, besonders wenn
man mit den Kameraden zusammen war und wenn es was zu saufen gab.

Die Wirklichkeit wird zum Klischee, das keinen mehr interessiert.

Der junge Mensch lag auf dem Bauch.

Mensch ist der besoffen.
Der ist nicht besoffen.
Der ist tot.
Der stinkt nach Schnaps.
Der ist besoffen.
Ach Quatsch.
Der atmet nicht mehr.
Außerdem hat er das ganze Gesicht blutig.

In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 1997 wurde der Schüler Ernst Müller auf dem Spielplatz Ecke
 Wißmannstraße/Grimmstraße totgetrampelt.

Der Express brachte eine kleine Meldung auf der viertletzten Seite. Da stand irgendetwas von Mord.

Der Vater war erschüttert. Er hatte ein gutes vertrauensvolles Verhältnis zu Ernst, wie auch dessen
Schwester bestätigte. Er beobachtete mit großer Sorge in welche Kreise der Junge geriet! Er hoffte,
daß Ernst später zur Vernunft kommen würde. Aber er versuchte nachzuhelfen: Mit politischen
Vorträgen, die er dem Jungen hielt und mit Einschalten jugendpsychologischer Beratungsdienste!

Der Einfluß des Lehrers war stärker. Ernst war nie gut in der Schule, aber als er in der 9. Heider als
 Klassenlehrer bekam, wurden seine Leistungen katastrophal. Nur in Deutsch und Geschichte war
das anders. Dr. Schmitz (35) mit Bürstenhaarschnitt und dicker Hornbrille war in Ordnung. Der
konnte erzählen. Der hatte wenigstens Mut. Der war bereit, auch mal unbequeme Sachen gegen die
Ökos und den Staat zu sagen.

Alle Grünen sind Verbrecher und Lügner!
Auschwitz ist eine Erfindung der Amerikaner.
Mit Deutschland geht es steil bergab.
Bei einer Erschießung der Grünen und der PDS übernehme ich das Exekutionskomando.

Ernst und sein Freund Rudi waren die einzigen gewesen, die Interesse für den Wettbewerb der
DEUTSCHNATIONALEN FRONT geäußert hatten. Das Thema des Aufsatzwettbewerbs ALLTAG IM
TAUSENDJÄHRIGEN (!?) REICH hatte Ernst fasziniert, aber erst nachdem er sich durch die Literatur
gefressen hatte, die ihm Dr. Schmitz zur Verfügung stellte. Und jetzt stand er auf der Bühne und hörte
 blechern seinen Namen…

erster Preis…traditionsbewußte, konservative Grundhaltung…Verständis für Geschichte und
Zeitgeist…

Dr. Schmitz stand neben Ernst und legte ihm die Hand auf die Schulter. Als sie sich spät am Abend
 verabschiedeten, lud ihn Dr. Schmitz ein, in die Jugendgruppe zu kommen.

Ich weiß noch nicht.
Also dann bis morgen.

Ernst ging hin.

Wenn sie getrunken hatten, wenn sie über die zu vernichtenden Feinde schwadronierten, dann
fühlten sie sich als die Herren über Leben und Tod. Parolen, Gedichte, Lieder, Witze…

…wie entfernt man die Türken aus Ehrenfeld.
Durch den Kamin des Helios-Turm.

Das war von Ernst. Ernst wurde in der Organisation Beauftragter für Propaganda im Gau Rheinland.
 Als Ordner in einem Lager der WOTAN-Jugend lernte er Erwin kennen. Erwin war Skinhead.

Olivgrüne Bomberjacke, orangefarbenes Futter, hochgekrempelte „DOMESTO-JEANS“ (mit scharfem
 Reinigungsmittel bleichgefleckt) und eben die Doc-Martens-Schuhe.

Ernst wurde ein Skinhead.
Freunde statt Bekannte.
Endlich ein Gefühl der Zugehörigkeit.
Mutproben steigerten das Selbstwertgefühl,
befriedigten Rachegelüste,
schädigten die Bonzen
und brachten vor allem gute Laune.

Bei einer Kundgebung in Hannover geriet Ernst in seine erste Schlägerei mit Gegendemonstranten.

Gerhard Müller erinnerte sich daran, daß sein Sohn eines Tages sagte:

Papa auf den Straßen ist Krieg

Ernst war davon zugleich geängstigt und fasziniert. er nahm jetzt an paramilitärischen Übungen teil.
Es war für ihn kaum noch möglich, die Organisation zu verlassen. Zu viele kleine kriminelle Aktionen
galt es als Geheimnis zu bewahren. Pfingsten 1997 wurde Ernst dann in den engen Zirkel
aufgenommen. Er wurde geweiht und brach zusammen.

Als Dr. Schmitz ihm drei Wochen später im Konferenzzimmer  das Videoband mit der durch Schmitz
 vollzogenen Weihe vorführte, wurde Ernst erneut ohnmächtig. Dr. Schmitz äußerte dem Arzt
gegenüber die Vermutung, daß der Junge wohl einen Schwächeanfall wegen des Schulstresses
erlitten habe.

Ein Brief kam. Die Versetzung ist gefährdet

In den Akten der Staatsanwaltschaft Köln fand sich Ende Juli 1997 eine Aktennotiz, die darauf
 verwies, daß zwei wichtige Beweismittel aus dem Polizeipräsidium verschwunden waren. Ernst
hatte in seiner Aussage vom 10. Juli 1997 ein Videoband seiner Vergewaltigung und ein Notizbuch
mit Adressen, Telefonnummern und Notizen erwähnt. Ein Vorstoß des Vaters, die Deutschnationale
Front zu verbieten scheiterte. In seinem Schreiben teile der Innenminister dem Kölner Genossen
 Gerhard Müller mit, daß es sich bei der genannten Gruppierung nach Angaben des Bundesamtes
für Verfassungsschutz nicht um eine extremistische Vereinigung handelte. Das war Ende Mai. Anfang
Juni fand der Prozeß gegen Dr. Schmitz wegen Volksverhetzung und Beleidigung statt. Zugrunde lag
eine Anzeige der GEW.
Es besteht die Vermutung, daß der Angeklagte aufgrund mächtiger, im Hintergrund gebliebener
Fürsprecher unantastbar blieb.

Das Gericht bezeichnete den Weg des PÄDAGOGEN als erstaunlich. Schmitz hatte in nur sieben
Jahren alle Beförderungsstufen vom Assesor zum Studiendirektor durchlaufen. Negative dienstliche
Beurteilungen aus den Jahren 1986 und 1988 waren aus der Personalakte im Düsseldorfer
Kultusministeriums verschwunden.

Der Prozeß fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Die Ermittlungsverfahren gegen eine
Senatorin und einen Bundesminister wegen Urkundenunterdrückung wurden Mitte Juni bereits
wieder eingestellt.

Der Vater von Ernst hatte mit seiner Anzeige alles ins Rollen gebracht.
Ernst reagierte entsetzt:
Papa, das ist Wahnsinn.
Die werden sich rächen.

Viermal hat die politische Polizei das Zimmer von Ernst Müller (persönliche Angaben unter AZ
 2345-7685932-FRG-345/45) durchsucht. Es wurden Ordner mit Schriften aus dem III Reich,
 Parteiabzeichen der verbotenen NSDAP, Sprühdosen und Waffen gefunden.

Am 8. Juli mußte Ernst zum Rapport. Dr. Schmitz warnte zum ersten und zum letzten Mal. Er drohte
 mit Konsequenzen.

Als Gerhard Müller am 10. Juli nach einer Parteiveranstaltung nach Hause kam, lag Ernst zu Hause
auf dem Sofa und weinte. Der Vater setzte sich neben ihn und strich ihm mit der Hand immer wieder
über die kurzen Haarstoppeln – immer wieder, denn der Junge hatte ein Bedürfnis danach. Aber
warum er weinte, wollte er nicht sagen.

Erst viel später erfuhr Gerhard Müller von der Aussage, die Ernst morgens bei der Kriminalpolizei
gemacht hatte. Am 21 Juli unterschrieb der Vater von Ernst das letzte Protokoll bei der Kripo:

Am Samstagabend kurz vor acht ist Ernst für wenige Minuten nach Hause gekommen. Sein rechtes
Auge war blaugeschlagen und geschlossen gewesen. Ernst hat erklärt: Das waren Punks.

Es war das letzte Mal, daß Gerhard Müller seinen Sohn sah.

Am 19. Juli 1987 gegen 23.30 Uhr überfielen vier Skinheads Ernst auf der Körnerstraße. Später war
 nicht zu ermitteln, wer den Auftrag gegeben hatte.

Jetzt machen wir ihn richtig alle.

Als Ernst noch wegzulaufen versuchte, fielen die vier Kameraden, alle etwas älter und wesentlich
kräftiger als er, gemeinsam über Ernst her und traten ihn. Zwei von den Skinheads hatten
Doc-Martens-Schuhe.

Als die vier Kameraden verhaftet wurden, beteuerten sie immer wieder, daß sie besoffen gewesen
 waren.
Keiner wußte wie es passiert war.
Plötzlich war er tot. Die Anklage lautete auf Körperverletzung mit Todesfolge.
Dr. Schmitz hatte sich von der Tat distanziert.
Von einer DEUTSCHNATIONALEN FRONT war beim Prozeß nicht mehr die Rede.

veröffentlicht Februar 1988
Die Rechtschreibung entspricht dem damaligen Stand.

 

Weder dem Vergangenen anheimfallen noch dem Zukünftigen. Es kommt darauf an, ganz gegenwärtig zu sein. (Karl Jaspers)

Andrasz Andrago hatte gut gespeist und getrunken. Träge lag er auf seinem Lager und wartete auf eine Nachricht von Aphrodite. Er war nicht allein. Das wusste er, aber es war ein seltsamer Tag gewesen. Den ganzen Tag über hatte das Wetter ihn schwül und warm begleitet, aber nicht so behaust wie seine Höhle, in der er jetzt alleine dumpfte. Das Gewitter hatte in der Luft gelegen und er hatte sich so nach ihr gesehnt, dass die dunklen Wolken wie eine an den Himmel geschriebene Botschaft gewirkt hatten. Die dicken Tropfen und der Platzregen hatten keine Erleichterung der unerträglichen Spannung bewirkt. Er hatte sich vom Wolkenbruch nassregnen lassen und trotzdem hatte ihn nur die Flötenspielverschmelzung beschäftigt, die jetzt in so weiter Ferne lag, dass es schon fast in einem anderen Leben zu sein schien.

Er wusste, dass die Tage des neuen Sterns am Nachthimmel erst einmal vorbei waren, aber er wollte es noch nicht glauben. Nass und träge hing die Luft feuchtigkeitsgetränkt vor der Höhle. Nebelschwaden zogen durchs Tal und über den See. Obwohl der Sommer kaum begonnen hatte, lag schon wieder der Verwesungsgeruch des Herbstes im Äther. Natürlich war sich Andrasz Drago, der kleine und der große Drache, darüber klar, dass es nicht anders sein konnte. Schließlich war Aphrodite nicht sein Eigentum. Sie war eine Göttin und ein Geschenk des Himmels und das Wunder, das er erleben dürfte, galt dem Kosmos und der Welt. Sie nur für sich haben zu wollen, war ein kleinlicher Wunsch, der dem Mythos des Kosmos ganz gänzlich und zur Gänze gar unangemessen war.

Er wusste, dass der Verzicht ein Teil des Wunders war, und trotzdem wälzte er sich unruhig auf seinem Lager, obwohl er wusste, dass die Einsamkeit auch Verheissung eines kommenden Höhepunkts sein konnte. Am Abend hatte er noch ein letztes Mal versucht, zu üben, wie er früher allein geübt hatte, aber er hatte es nicht einmal bis in die Nähe des Höhepunktes geschafft. Die Müdigkeit hatte ihn übermannt, bevor er nur eine Ahnung des Feuers an den nächtlichen Himmel spucken konnte und er hatte die Trennung von Aphrodite fast wie einen Schatten des Todes empfunden. Im Schlaf war seine Brille zerbrochen, die er benötigte, um die Noten lesen zu können, wenn er sie nicht in sich klingen spürte.

Natürlich konnte er nichts erwarten, denn Aphrodite war gewitter- und sommerkrank. Natürlich konnte er keine Ruhe auf dem einsamen Lager finden, denn ein Spiegelbild war nicht die Wirklichkeit und ein Traum konnte kein Flötenkonzert ersetzen. Heute waren nicht einmal die wilden Tiere zum Spiel vor der Höhle erschienen. Andrasz Andragor war einsam und traurig. Die Botschaft Aphrodites hatte ihn nicht einmal im Traum erreicht. Andragor hatte erneut der Schlaf übermannt.

Eine Rätselbotschaft war im Traum am Himmel erschienen und er hatte im Traum pech- und schwefelspuckend darauf geantwortet. Zu spät war ihm eingefallen – im Traum – dass es eine Rätselbotschaft von Aphrodite gewesen sein könnte. Aber es war zu spät. Ein anderes Rätsel im Traum hatte ihn vollkommen verwirrt: Ein Mann hatte auf einem gläsernen Schachspiel in einen dunklen, runden, surrenden Spiegel gesprochen, begleißt von strahlendem Licht, das heller als die Sonne gewesen war, aber in tiefschwarzer Nacht geschienen hatte.

Eine junge Frau hatte neben ihm gesessen, geweint und mit blutenden Knien geschrien, dass sie nie wieder tanzen würde können und nie wieder gehen. Der Mann hatte von einer riesigen ausgestorbenen Tierart erzählt, die in fernen Zeiten, in der Nähe einer seltsamen Spiegelstadt gelebt hatte, und im Aussterben den Mythos von Andragors Geschlecht geboren hatte, den Mythos der mystischen Drachen, die in der Musik mit dem Kosmos verschmolzen werden würden. Andrasz Andragor hatte er gedonnert, du wirst vereinigt worden sein.

Die Spiegelstadt hatte ganz in der Nähe der Höhle des kleinen Drachen gelegen und alles in ihr war aus Spiegeln gebildet, die Häuser, die Wände, die Fußböden, die Tische, die Gläser und seltsame Kästen, aus denen Töne klangen, wenn man sie berührte oder die Hand mit einer Spiegelscherbe nach ihnen ausstreckte. Die Wesen, die in jener Stadt lebten, sahen ununterbrochen sich selbst. Sie sahen ihre Hände in den Wänden, ihre Beine in den Böden und ihre Füsse spiegelten sich in den Tischplatten. Sie sahen sich in den Bettdecken und an den Zimmerdecken, auf den Böden und in den Häuserwänden.

Eines Tages kam ein kleiner Spiegel in die Stadt zu Besuch. Er wollte seine spiegelnde Familie besuchen. Er wollte Zeit mit ihnen verbringen und mit ihnen reden, mit ihnen lachen und vergangene, gegenwärtige und zukünftige Zeiten erinnern, denken und beschwören. Aber er konnte keinen Zugang zu den Spiegeln finden, denn seine Spiegelfamilie war nie allein. Sie war unentwegt mit anderen Wesen beschäftigt, die bei ihnen lebten. Niemand hatte Zeit für ihn, ja sie nahmen ihn nicht einmal wahr, denn Spiegel spiegeln sich nicht in Spiegeln. So verließ der kleine Spiegel schließlich verzweifelt und einsam die Stadt der Spiegel und lief so lange bis er in einen großen Wald kam, in dem ihm beim nächtlichen Geschrei der Tiere bewusst wurde, dass er vollkommen verlassen und allein war. Er weinte bitterlich und seine Tränen gerannen zu Diamanten, die im weichen Waldboden versanken.

Als Andrasz Andragor wach wurde, blutete er. Er war im Schlaf aus dem Bett gefallen, in das gläserne Schachspiel hinein, das jetzt in Scherben zerbrochen war. Die Königin hatte sich während seines Traums wie von Zauberhand verbogen und eine Scherbe hatte sich in Andragors Hand gebohrt. Die Flöte, die auf der gläsernen Schachplatte gelegen hatte, war in tausend Stücke zersprungen. Jetzt schrie und weinte Andragor, denn er glaubte nie wieder eine Flöte in die Hand nehmen und auf ihr spielen zu können. „Wo bist du?, schrie er in die feuchte, neblige Nacht „Wo bist du Aphrodite?“ Und die Sterne erzitterten vor dem gewaltigen und verzweifelten Gebrüll des großen Drachen Andrasz Andragor.

Die neokonservativen Kreise in den USA haben ein weitaus größeres Interesse an Krieg als die USA sowieso, denn die Macht des Dollar kann nur funktionieren bei 35% Nettoverschuldung im Ausland mit einer weltüberlegenen Militärmaschinerie, die garantiert, dass die Währung ‘stabil’ ist. Keine geld- oder goldgestützte Währung, eine militärgestützte. Das stellt Mephistos Jonglage im Faust II mit dem Papiergeld in Frage. Griechenland hatte eine Nettoauslandsverschuldung von ca. 14%. Zum Vergleich. Die DDR hatte bei ihrem Ende eine Nettoauslandsverschuldung von 17%.  Der Iran und Lybien sind in der Vergangenheit aus dem System der Fakturierung von Rechnungen in Dollar ausgeschert. Die Folgen sehen wir vor Augen. Von wegen Menschenrechte, Demokratie und Humanismus. Und die kompletten westlichen Medien lassen sich (mal wieder) gleichschalten.

Gedächtnis der Menschheit

Das Gedächtnis der Menschheit
für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz.
Ihre Vorstellungsgabe für kommende
Leiden ist fast noch geringer.

Die Beschreibungen,
die der New Yorker
von den Gräueln der Atombombe erhielt,
schreckten ihn anscheinend nur wenig.
Der Hamburger ist noch umringt von den Ruinen,
und doch zögert er,
die Hand gegen einen neuen Krieg zu erheben.
Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen.
Der Regen von gestern macht uns nicht nass sagen viele.

Diese Abgestumpftheit ist es,
die wir zu bekämpfen haben,
ihr äußerster Grad ist der Tod.
Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote,
wie Leute, die schon hinter sich haben,
was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

Und doch wird nichts mich davon überzeugen,
dass es aussichtslos ist,
der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen.
Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!
Lasst uns die Warnungen erneuern,
und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!
Denn der Menschheit drohen Kriege,
gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind,
und sie werden kommen ohne jeden Zweifel,
wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,
nicht die Hände zerschlagen werden.

– Bertolt Brecht – geschrieben 1952